Erbrecht

Schadensersatzpflicht einer Bank wegen Verlangens der Vorlage eines Erbscheins


Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 5.4.2016– XI ZR 440/15 für Recht erkannt:

Der Erbe kann sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen, wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist (Fortführung der Rechtsprechung des Senats, NJW 2005, 2779).

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit nahmen die Kläger die beklagte Bank auf Erstattung von Gerichtskosten für die Erteilung eines Erbscheins in Anspruch. Die Erblasserin, die im August 2013 verstorbene Mutter der beiden Kläger, unterhielt bei der Bekl. mehrere Konten, darunter auch Sparkonten. Am 22.8.1988 errichtete sie gemeinsam mit ihrem im Jahr 2001 verstorbenen Ehemann, dem Vater der Kl., ein handschriftliches Testament.

Die Kläger erwirkten bei dem zuständigen Amtsgericht die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, wonach sie zu je 1/2-Anteil Erben nach ihrer Mutter sind. Dafür verauslagten sie Gerichtskosten iHv 1770 Euro. Außer den bei der Bekl. geführten Konten gehörte zum Nachlass nur noch ein Guthaben bei einer anderen Bank, die jedoch die Vorlage eines Erbscheins nicht verlangte. Nach Einschaltung der Kundenbeschwerdestelle bei dem Rheinischen Sparkassen- und Giroverband gab die Bekl. die Konten zu Gunsten der Kl. frei. Eine Übernahme der Kosten der Erbscheinserteilung lehnte sie entgegen dem Schlichtungsvorschlag mit Schreiben vom 16.5.2014 ab. Mit der Klage haben die Kl. von der Bekl. die Zahlung von je 885 Euro nebst Zinsen an sie als Mitgläubiger verlangt.

Das Amtsgericht Wuppertal (Urt. v. 13.4.2015 – Aktenzeichen 32 C 229/14) hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht Wuppertal (Urt. v. 10.9.2015 – Aktenzeichen 8 S 28/15, BeckRS 2016, 08230) mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kläger nicht Mitgläubiger seien und der Zinsanspruch erst ab dem 16.5.2014 begründet sei; wegen des weitergehenden Zinsanspruchs hat es die Klage abgewiesen.

Die Kläger sind als testamentarische Erben ihrer Mutter gem. §§ 1922, 2032 BGB in die Kontoverträge mit der Beklagten eingetreten. Die Beklagte hat gegen die ihr obliegende vertragliche Leistungstreuepflicht verstoßen, indem sie die Freigabe der Konten von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht hat. Aus der Leistungstreuepflicht folgt die generelle Verpflichtung, den Vertragszweck und den Leistungserfolg weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen (vgl. Senat, NJW 2005, 2779). Dagegen hat die Beklagte verstoßen, indem sie zum Nachweis der Erbenstellung der Kl. zu Unrecht die Vorlage des handschriftlichen Testaments nebst Eröffnungsvermerk nicht hat ausreichen lassen und dadurch die mit der Erteilung des Erbscheins verbundenen Kosten unnötigerweise verursacht hat.

Nur bei konkreten und begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der durch das eigenhändige Testament belegten Erbfolge ist die Bank berechtigt, ergänzende Erklärungen des oder der Erbprätendenten einzuholen oder sich weitere Unterlagen, wie zum Beispiel das Familienstammbuch oder einen Erbschein vorlegen zu lassen (vgl. Bunte, AGB Banken, 4. Aufl., Rn. 103; Werkmüller, BKR 2005, BKR Jahr 2005 Seite 318 [BKR Jahr 2005 319]).

Die benannte Entscheidung zeigt wiederum eindringlich, dass bei der Erbfolge nicht nur die Erben, sondern auch in diesem Fall die Bankinstitute mit den Besonderheiten des Erbrechts befasst sind. Auch wenn die vorgenannte Entscheidung die Stellung der Erben gestärkt hat, sollte bereits zu Lebzeiten bei der Vermögensübertragung an die Möglichkeit der Vollmachtserteilung gedacht werden. Eine Rechtsberatung ist für eine individuelle und vorausschauende Gestaltung von Nachfolgeregelungen unvermeidlich.

Ihr Ansprechpartner in dieser Angelegenheit ist Rechtsanwalt Sebastian Obermeier.

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