Erbrecht

«Zettel-Testament» lässt keinen ernsthaften Testierwillen erkennen


Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Beschluss von 27,11.2015, Az.: 10 W 153/15 entschieden:

Ein ernsthafter Testierwillen kann dann nicht feststellbar sein, wenn das vermeintliche Testament nicht auf einer üblichen Schreibunterlage, sondern auf einem Stück Papier oder einem zusammengefalteten Pergamentpapier errichtet worden ist.

Die Erblasserin war Eigentümerin eines Hausgrundstücks. In der Annahme, gültige Testamente der Erblasserin in den Händen zu haben, aus denen sich eine Erbeinsetzung des vorverstorbenen Vaters ergebe, legten die Enkel im April 2014 im Erbscheinsverfahren zwei Schriftstücke aus dem Jahre 1986 vor. Bei einem dieser Schriftstücke handelte es sich um einen ca. 8x10 cm großen, per Hand ausgeschnittenen Zettel mit folgender handschriftlicher Aufschrift: "Tesemt ... Haus ... Das für H. ... 1986..."

Unter diesen Angaben folgte ein Schriftzug mit dem Nachnamen der Erblasserin. Bei dem zweiten Schriftstück, einem mehrfach gefalteten Stück Pergamentpapier, finden sich die gleichen Worte in leicht abgewandelter Anordnung. Auf der Grundlage der vorstehenden Schriftstücke beantragten die Enkel einen die vier Enkelkinder als Miterben ausweisenden Erbschein. Sie vertraten die Auffassung, die Schriftstücke seien Testamente der Erblasserin mit einer Erbeinsetzung zugunsten ihres vorverstorbenen Vaters, an dessen Stelle sie als Miterben zu gleichen Teilen getreten seien. Der Erbscheinantrag beim Amtsgericht ist erfolglos geblieben.

Das Oberlandesgericht bestätigte vorliegend die Zurückweisung des Erbscheinantrags. Es kann demnach bereits nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass es sich bei den beiden Schriftstücken um letztwillige Verfügungen der Erblasserin handele. Die Errichtung eines Testaments setze einen ernstlichen Testierwillen des Erblassers voraus. Er muss eine rechtsverbindliche Anordnung für seinen Todesfall treffen wollen, bloße Entwürfe eines Testaments reichten nicht aus. Im vorliegenden Fall bestünden Zweifel am ernstlichen Testierwillen der Erblasserin. Erhebliche Zweifel folgten schon aus dem Umstand, dass die vermeintlichen Testamente nicht auf einer üblichen Schreibunterlage, sondern auf einem ausgeschnittenen Stück Papier und einem gefalteten Bogen Pergamentpapier geschrieben worden seien.

Nach der äußeren und der inhaltlichen Gestaltung ist ein Testament ebenfalls fraglich. Die Überschrift enthält gravierende Schreibfehler, im Text fehlt ein vollständiger Satz. Dabei sei die Erblasserin der deutschen Sprache in Schrift und Grammatik hinreichend mächtig gewesen. Gegen das Vorliegen von Testamenten spricht zudem der Umstand, dass beide Schriftstücke auf das Jahr 1986 datiert sind. Ein Grund für die Errichtung von zwei nahezu inhaltlich identischen Testamenten innerhalb eines Jahres ist nicht ersichtlich. Das Vorliegen zweier inhaltlich ähnlicher Schriftstücke auf ungewöhnlichen Schreibunterlagen spricht vielmehr dafür, dass es sich lediglich um schriftlich dokumentierte Vorüberlegungen oder Entwürfe handelt Die Schriftstücke sind mit diversen unwichtigen und wichtigen Unterlagen ungeordnet in einer Schatulle aufgefunden worden. Dies lässt nicht notwendig auf einen ernsthaften Testierwillen beim Verfassen der Schriftstücke schließen. Die Erblasserin muss die Schriftstücke zwar nicht bewusst aufbewahrt haben, sondern kann diese auch lediglich vergessen haben. Der Umstand, dass die Erblasserin in der Folgezeit kein weiteres abweichendes beziehungsweise klarstellendes Testament errichtet hat, ist ebenfalls nicht aussagekräftig. Hierzu hat aus Sicht der Erblasserin nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich bei den beiden Schriftstücken bereits um Testamente gehandelt hätte. Gerade dies sei aber nicht sicher festzustellen.

Die benannte Entscheidung zeigt wiederum eindringlich, dass neben dem Inhalt des Testaments auch die (nicht sehr hohen) Formanforderungen an ein Testament nach Maßgabe von § 2247 Abs. 1 BGB erfüllt sein müssen. Um dabei zu vermeiden, dass Gerichte sich später mit der Auslegung des Testaments zu befassen, ist eine Rechtsberatung bzw. die individuelle und vorausschauende Gestaltung von Nachfolgeregelungen unvermeidlich. Ihr Ansprechpartner in dieser Angelegenheit ist Rechtsanwalt Sebastian Obermeier.

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